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Bündnis "Niedersachsen packt an":
Follow-Up-Veranstaltung zu der Integrationskonferenz "Werkstatt Bürgerschaftliches Engagement"
14.03.2019 - Hannover

Von l. nach r.: Pastor Markus Kalmbach (Pastor der Kirchengemeinde St. Marien in Winsen/ Luhe, der ein Internationales Café in Winsen schuf), Sylvia Grünhagen (Leiterin Geschäftsstelle Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte Hannover e.V.), Suzan Sahin (Integrationslotsin der Stadt Seelze), Stefan Weil (Ministerpräsident des Landes Niedersachsen), Kahledin Arabsadeh (Geflüchteter, der sich selbst ehrenamtlich bei der Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V. Wolfenbüttel engagiert), Rainer Hafke (Vorstandsvorsitzender Solidarisches Osnabrück e.V.)
Fotos: Henning Scheffen
Agenda

1. Allgemeiner Hintergrund der Veranstaltung
2. Grußwort des Ministerpräsidenten Stephan Weil: „Erfolgreich angepackt –
Zusammen Gutes bewirken und neue Herausforderungen bewältigen“
3. Film „Wie in Niedersachsen angepackt wird“
4. Talk mit Publikumsbeteiligung
Projekte, Ergebnisse und Erfahrungen der IV: Integrationskonferenz „Werkstatt
Bürgerschaftliches Engagement“
5. Im Interview mit Dr. Carola Reimann: Ausblick „Die nächsten Schritte…“
6. Fazit und Ausblick


1. Allgemeiner Hintergrund der Veranstaltung

Das Bündnis „Niedersachsen packt an“ hat am 14. März 2019 zum Follow-Up zu der Integrationskonferenz „Werkstatt Bürgerschaftliches Engagement“ in das Alte Rathaus in Hannover eingeladen, um das Bürgerschaftliche Engagement seiner Unterstützerinnen und
Unterstützern anzuerkennen.
Welche Konzepte, Ansätze und Ideen sind erfolgreich? 
Wie gelingt Koordinierung zwischen Haupt- und Ehrenamt? 
Wo wird noch Entwicklungsbedarf gesehen und welche Erfahrungen wurden bei der Verwirklichung von Projekte gemacht? 
Die in der Flüchtlingsarbeit ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierten ließen die Leistungen der Vergangenheit Revue passieren, zeigten den Istzustand auf und boten einen Ausblick auf weitere Aktivitäten.
Der Einladung folgten rund 250 Gäste aus Niedersachsen, so dass der Saal im Alten Rathaus gut gefüllt war. 
Gleich zu Beginn wurde die Möglichkeit geboten in einer Medien-Ecke „Spotlights verschiedener Initiativen & Projekte“ einige beispielhafte Filme aus unterschiedlichsten Projekten anzusehen. Die Gäste konnten sich darüber hinaus während der gesamten Veranstaltung durch ein digitales Interaktionstool VoxR an den Themen beteiligen. Mittels eines Smartphones konnte das Publikum mit dem Moderator und den Talkgästen interagieren, Schwerpunkte innerhalb der Diskussionen setzen und Fragen stellen.
Stellvertretend für das umfangreiche und vielfältige Engagement in ganz Niedersachsen präsentierten sich fünf ehrenamtlich engagierte Talkgäste, die sich für die erfolgreiche Integration von Geflüchteten einsetzen. 
Im Anschluss hielt die Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Dr. Carola Reimann einen Ausblick
in die Zukunft des ehrenamtlichen Engagements im Zusammenhang mit Geflüchteten.


2. Grußwort des Ministerpräsidenten Stephan Weil: „Erfolgreich angepackt
– Zusammen Gutes bewirken und neue Herausforderungen bewältigen“

In seiner Begrüßung dankte Ministerpräsident Stephan Weil den zahlreich erschienenen Gästen gleich zu Beginn und stellte heraus, dass es nicht selbstverständlich sei, dass das Engagement gleichbleibend hoch sei. Er erinnerte an die Geburtsstunde des Bündnisses, das ein Unikum seiner Art sei, als im Herbst 2015 durch Vertreter der Politik und Gesellschaft ein einzigartiges Bündnis ins Leben gerufen wurde. Bis heute unterstützen mehr als 3.000 Institutionen, Verbänden, Vereinen und Einzelpersonen. Diese runde Unterstützerzahl griff er auf und ehrte Frau Kessner vom Deutschen Roten Kreuz als das 3.000ste Mitglied des Bündnisses „Niedersachsen packt an“. 
Der Ministerpräsident fuhr fort und fragte in Bezug auf die Gründung des Bündnisses „Warum haben wir das gemacht?“.

Die Botschaften aus Niedersachsen sollten klar sein:
Eine offene und faire Gesellschaft sei gewollt gewesen, die gegen Anfeindungen stünde. Der Charakter unserer Gesellschaft dürfe nicht von Rechtspopulisten umgedreht werden.
Die Möglichkeit landesweit Erfahrungen und Konzepte auszutauschen sollte gegeben werden.
Menschen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, sollten sich unterstützt und bestärkt fühlen. Sie sollten den Eindruck haben, dass sie der gesamten Gesellschaft etwas Gutes tun. 
Die heutige Rolle des Bündnisses sehe er vor allem in der Integration. Im Herbst 2015 waren ein Dach über dem Kopf, warmes Essen und Kleider für die Geflüchteten elementar. Heute seien andere Fragen entscheidend, denn heute stünden die Begleitung, die Sprachförderung und die menschliche Begegnung sowie direkte Hilfe durch Menschen im Mittelpunkt.
Über das interaktive Tool war für den Ministerpräsident erkennbar, dass das Publikum „Menschen“ auf die Frage „Was motiviert Sie für Ihr Engagement?“ in den Mittelpunkt stellten.
Heute ergeben sich neue Schwerpunkte, äußerte der Ministerpräsident. Im deutschen Arbeitsmarkt werde viel verlangt. Hierzu zählt vor allem Sprache, was herausfordernd sein könne. Auch das Thema Frauen hob er hervor, denn aus vergangener Integrationsarbeit sei
klar, wie wichtig in diesem Zusammenhang auch Kinder seien. Hierzu sei der Erfahrungsaustausch vor allem bei Veranstaltungen wie dieser wichtig. Neue Aspekte könnten angeschnitten werden, aber auch die Teilnehmer könnten sich gegenseitig inspirieren. Er betonte zum Abschluss die Wichtigkeit des Dienstes der Engagierten an unserer Gesellschaft und dankte für die Teilnahme.


3. Film „Wie in Niedersachsen angepackt wird“

Im Anschluss zeigte der rund zwölfminütige Film „Wie in Niedersachsen angepackt wird“, der zum dritten Jahrestag des Bündnisses gedreht wurde, beispielhaft das vielfältige Engagement für und mit geflüchteten Menschen in Niedersachsen in einigen Projekten und
Initiativen.


4. Talk mit Publikumsbeteiligung:

In der folgenden Diskussion wurden Erfahrungswerte ausgetauscht, Bilanzen gezogen und Perspektiven skizziert. Die Talkgäste Pastor Markus Kalmbach (Pastor der Kirchengemeinde St. Marien in Winsen/ Luhe, der ein Internationales Café in Winsen schuf), Rainer Hafke
(Vorstandsvorsitzender Solidarisches Osnabrück e.V.), Suzan Sahin (Integrationslotsin der Stadt Seelze), Kahledin Arabsadeh (Geflüchteter, der sich selbst ehrenamtlich bei der Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V. Wolfenbüttel engagiert) und Sylvia Grünhagen (Leiterin Geschäftsstelle Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte Hannover e.V.) stellten sich und Ihre Initiativen vor. In dieser Diskussion stellten sich folgende Kernpunkte heraus:

Herr Pastor Kalmbach betonte, dass unsere Gesellschaft die Geflüchteten unabhängig von einer Aufenthaltsdauer der Geflüchteten in Deutschland aufnehmen müsse, um eine Bildung von Parallelgesellschaften sofort zu unterbinden bzw. gar nicht erst zu ermöglichen.
Geflüchtete ohne (Bleibe-)Perspektive dürften nicht fallen gelassen werden. Ferner müssten Frauen mehr angesprochen werden, denn über Frauen können Kinder und damit die ganze Familie eingebunden werden.
Ehrenamtliche seien oftmals persönlichen Anfeindungen im Zusammenhang mit einer vermeintlichen Bevorteilung Geflüchteter ausgesetzt.
Wichtig sei auch, dass durch Veranstaltungen oder einfaches Reden der Ehrenamtlichen in die Öffentlichkeit getragen werde, dass die ehrenamtliche Arbeit weiterhin gebraucht werde.

Rainer Hafke griff den Motivationsaspekt des Ehrenamtes auf und betonte, dass viele Ehrenamtliche die Perspektive vom Sprachlehrer zum Helfer in anderen Situationen gewechselt hätten. Ihm sei wichtig, dass Geflüchteten unabhängig von Herkunft und Bleibeperspektive auf Augenhöhe begegnet werde.

Suzan Sahin möchte auch ältere Geflüchtete mitnehmen, denn in anderen Kulturen seien die älteren Generationen immer miteingebunden. Erhielten diese Generationen Respekt, könnten die Jüngeren ebenfalls aufgefangen werden.

Kahledin Arabsadeh engagiert sich selbst in der Freiwilligenagentur Jugend-Soziales-Sport e.V. in Wolfenbüttel und hierfür erhielt er eine Sonderehrung am Internationalen Tag des Ehrenamtes. Er fühle sich durch sein persönliches Netzwerk in Deutschland wohl, sagt er. Derzeit mache er seinen Realschulabschluss und bewerbe sich schon jetzt auf eine Ausbildungsstelle.

Frau Grünhagen sieht Arbeit als zentralen Faktor, der zur Integration beiträgt. Viele der Geflüchteten möchten eigenes Geld verdienen und erhoffen sich einen Einstieg in das Berufsleben bzw. überhaupt eine Chance Fuß zu fassen und zu einem Bewerbungsgespräch
eingeladen zu werden. Die Zusammenarbeit von staatlicher Unterstützung und den Initiativen, von Haupt- und Ehrenamt, habe sich gut entwickelt, solle aber durch das entwickelte Netzwerk beständig bleiben. Sie ist der Ansicht, dass die Strukturen, die sich nunmehr aus dem Kontext entwickelt haben, beibehalten werden sollten. Zuständigkeiten und Ansprechpartner sollten ebenfalls gleichbleiben.
Innerhalb der Diskussion konnte IKJA e.V. aus dem Publikum einen Aufruf für Lernpatinnen und Lernpaten starten, um mehr Helfer zu akquirieren.


5. Im Interview mit Dr. Carola Reimann: Ausblick „Die nächsten Schritte…“

Im letzten Tagesordnungspunkt konnte das Publikum selbst auf die Frage, was die nächsten Schritte sein sollen, über das interaktive Tool antworten. Hierbei wurden folgende Begrifflichkeiten genannt.
Ministerin Dr. Carola Reimann hob das Durchhaltevermögen hervor und bemerkte, dass mit dem vorliegenden Engagement auch die noch ausbaufähigen Themen gut zu bewältigen seien.

Die Ministerin stellte drei Kernpunkte heraus:
Die Integration in den Arbeitsmarkt sei jetzt entscheidend. Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel sollten die Geflüchteten, die bereits einen beruflichen Werdegang hatten und erfolgreich waren, innerhalb ihrer fachlichen Qualifikation arbeiten.
Teilhabe durch Haupt- und Ehrenamt seien unabdingbar. Ehrenamt dürfe Hauptamt nicht ersetzen. Wichtig sei, dass weiterhin durch Fördermittel unterstützt werden müsste, denn die Integration sei noch nicht beendet. Auch Ehrenamt funktioniere nicht ohne finanzielle Mittel.
Im Land Niedersachsen sei weiterhin die Förderung von Integrationslotsinnen und Integrationslotsen von großer Bedeutung. Ihrer Vernetzung und Stärkung müsse besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. 
Die derzeitige Phase sei die kompliziertere Phase, die „herausforderndere Phase“ denn Ausländerrechtsfragen, Jobaufnahme, Ausbildungsaufnahme und die vielfältigen Berufswünsche müssten jetzt unterstützt werden. 
In Deutschland und besonders in Niedersachsen sei das Ehrenamt besonders gut aufgestellt. Auch hier seien Frauen besonders hervorzuheben, da sie anteilig mehr vertreten seien und ein besonderes Engagement aufzeigen.
Menschen stünden für Menschen ein, würden einander helfen und sich kümmern und das mache unsere Gesellschaft aus.
Zur Integration von Frauen solle aus vergangenen Migrationswellen gelernt werden und Frauen sollen explizit integriert werden. Ein großes Thema sei die zeitgleiche Kinderbetreuung während eines Deutschkurses.
Ferner müssten die Frauen bei Gewalterfahrungen wissen, an welche Stellen sie sich wenden könnten um Unterstützung zu erhalten. Das entsprechende Empowerment sollte umfassender sein, so dass Frauen ihre Rechte kennen und nutzen können.
Abschließend sieht die Ministerin in der Integration eine Chance für Deutschland und nutzte
die Gelegenheit den Engagierten für ihre Arbeit zu danken.


6. Fazit und Ausblick

Die Teilnehmenden stellten übereinstimmend fest, dass bereits sehr viel erreicht worden ist – aber ein wesentlicher Teil der Integration vor uns liegt. Durch die Veranstaltung wurde verdeutlicht, wie wichtig die Arbeit der zahlreichen Engagierten im Zusammenhang mit der Integration der Geflüchteten ist. Ganz entscheidend sind dabei die bereits geschaffene Struktur und das Netzwerk. Diese Strukturen in der Kommunikation und Kooperation und ihre Verstetigung waren zentrale Punkte. Unsere offene Gemeinschaft schafft den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor allem auch durch die Arbeit der Ehrenamtlichen.
Für die Zukunft ist eine Reihe von weiteren Veranstaltungen unter dem Dach des Bündnisses „Niedersachsen packt an“ geplant, die dem Austausch dienen und die relevanten Themen vertiefen. Die Landesbeauftragten werden auf regionaler Ebene Integrationsdialoge zum Thema Engagement zur Koordinierung von Haupt- und Ehrenamt fortführen. Diese sollen in 2019 an verschiedenen Orten stattfinden.
Das Bündnis „Niedersachsen packt an“ plant eine große Veranstaltung unter dem Motto „Werkstatt Frauen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte“ am 03. Juni 2019 in Hannover. Hier wird die Integration geflüchteter Frauen aufgegriffen. Es wird einen Markt der Möglichkeiten, Workshops und weitere Programmpunkte geben, die vor allem den Aspekt der Teilhabe geflüchteter Frauen aufgreifen werden.

Veranstalter:
Geschäftsstelle des Bündnisses „Niedersachsen packt an“
i.V. für das Bündnis:
Niedersächsische Staatskanzlei, Planckstraße 2, 30169 Hannover
Roland Irek, Leiter der Geschäftsstelle
Telefon: 0511/120-6909
Email: buendnis@niedersachsen.de
www.niedersachsen-packt-an.de
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